3. Juli 2017, Los Angeles, Rückflug

Wir müssen noch zwei Nächte in einem Hotel warten bis unser Flug zurück in die Schweiz geht. Mit Andys Fuss ist es leider nicht möglich noch viel zu unternehmen, drum verbringen wir die meiste Zeit im Hotel.  

Mit meinem Handy ist es sehr mühsam. Der Retourflug über Istanbul hat uns schliesslich Fabian von zuhause aus gebucht. Wenn wir wieder nach Amerika gehen, werde ich mir ein iPhone besorgen.

TAG 68, 2. Juli, Kearsarge Pass, Meile 788, PCT-Abbruch

Beim Frühstück sind die ersten Hiker bei uns vorbeimarschiert. Die Schwellung an Andys Fuss ist grösser geworden, ich binde sie mit einer Bandage ein. Andy nimmt nur das leichte Zeugs und ich nehme beide Bärensäcke mit dem Essen. So kann Andy mit meinen Stöcken gehen, seine sind ja gestern gebrochen. Wir machen den ganzen Tag immer wieder Pausen, dadurch sind wir recht langsam.

Gegen Mittag stehen wir auf dem Kearsarge Pass. Ich bin ziemlich ausser Puste mit all dem Gewicht. Hier runter ist alles im Schnee und der ist jetzt auf dieser Seite sehr weich. Andy rutscht ab und zu, das ist für ihn unangenehm, sein Fuss schmerzt ziemlich. 

Fast beim Parkplatz treffen wir auf ein Paar, das mit seinen Hunden unterwegs ist. Ich frage mich, wieso Andy diesen Hunden so viel Beachtung schenkt, so schön sind sie nicht. Ich will jetzt runter zum Parkplatz und unten eine Mitfahrmöglichkeit finden. Auf dem Parkplatz setzt sich Andy hin, es hat wieder andere Hiker, die auch darauf warten. Meinem Mann ist das egal, er isst erst mal was. Als das Paar ankommt, denke ich, mir werde es noch schlecht bei seinem Gesülze wegen diesen Hunden. Aber er hat unsere Mitfahrgelegenheit abgesichert, die anderen Hiker müssen warten, Pech für sie. Andy überrascht mich immer wieder. Dass diese zwei unser Taxi werden, war ihm schon klar, als er sie oben angesprochen hat. Hinten auf dem Pick-up konnten wir bis Orion Valley fahren. 

Dort angekommen stellen wir uns an die Strasse. Es kommen noch zwei Hiker, zu viert ist es schwieriger eine Mitfahrtgelegenheit zu bekommen. Nach einer Weile gehen die andern zwei, kurz darauf hält ein Pick-up. Wir setzen uns hinten auf die Ladebrücke und fahren bis zum Zeltplatz in Bishop. Auf dem Zeltplatz bekommen wir einen Platz mit einem holländischen Paar, sie wollen anderntags auf den Mount Whitney gehen. Wir geben ihnen unser Essen, uns bringt es ja nichts mehr, sie freuen sich sehr darüber. Danach gehen wir ins Starbucks-Café, um unsere Heimreise zu organisieren.

TAG 67, 1. Juli, Forester Pass, Meile 779

Wir sind um 5 Uhr losgewandert. Der Schnee ist richtig hart, die Schneefelder haben viele Löcher und sind jetzt wie eine Berg- und Talfahrt. Der Forester Pass ist streng zum Aufsteigen, aber wir finden es weniger gefährlich als alle erzählt haben. Als Schweizer sind wir uns anderes gewöhnt, die Querung im oberen Teil fanden wir nicht wirklich spektakulär, wir haben ja auch die eine oder andere Tour in der Schweiz gemacht. Auf dem Pass machen wir eine längere Pause. Es sind zwei Tagestouristen hier, die den gleichen Weg zurückgehen. 

Der Abstieg vom Forester Pass ist alles im Schnee, an manchen Orten rutschen wir darum auf dem Hosenboden nach unten. Hier hat es in diesem Winter auch Lawinenabgänge gegeben. Im Wald unten sieht es recht wild aus, die Bäume liegen einfach kreuz und quer herum. 

Es hat eine grosse Gruppe PCT-Hiker im Wald, die wir aber nicht kennen. Über einen reissenden Bach hat es einen rutschigen Stamm. Das Wasser schiesst mit einer hohen Geschwindigkeit und viel Druck den Hang runter, man hätte keine Chance im Wasser. Die einen Hiker stellen sich wie ein Gitter in den Bach (sie werden vom Rand aus von anderen gehalten), um jemanden aufzufangen, der reinfallen würde. Ich bin jetzt besser geworden bei diesen Flussüberquerungen über Baumstämme. Beim Weitergehen verteilen sich alle wieder. Die einen machen Pausen, die anderen wollen schnell weiter. Es kommt kein Fluss mehr auf diesem Abschnitt, so kann jeder wieder für sich hiken. 

Andy läuft vor mir, rutscht plötzlich mit dem rechten Fuss von einem Schneehaufen runter. Sein Stock bricht und er kann sich nicht auffangen. Er sagt nachher, er habe einfach den Fuss nicht mehr halten können. Ich nehme das Gepäck und bringe es zu einem Platz, dort werden wir den Fuss anschauen. Andy ist ziemlich fertig, er meint mit diesem Fuss geht es für ihn nicht mehr weiter. Das sehe ich auch so, es scheint keine Zerrung zu sein, aber mir macht die Beule am Fersen Sorgen. Also erst einen guten Platz zum zelten suchen und dann mal warten. Das Essen sollte reichen, weil wir im voraus damit gerechnet haben, dass der Fuss wieder Probleme machen könnte. 

Beim Zeltplatz stellen wir das Zelt auf und ich suche genügend Holz zusammen für ein Lagerfeuer. Wir besprechen die Lage. Falls die Schwellung hinten die Achillessehne ist, könnte es sein, dass Andy deswegen keine Chance hat den Fuss zu halten. Er sagt, beim Laufen müsse er den Fuss immer gerade aufsetzen, sonst knicke er ab. 

Wir beschliessen, dass es besser ist aufzuhören, denn jetzt ist es noch möglich rauszulaufen. Ihm tut`s leid, dass wir jetzt den Hike nicht fertigmachen können. Ich sage ihm, für mich sei das kein Weltuntergang. Ich finde, wir haben so viele tolle Sachen erlebt und viel gelacht, es war eine sehr intensive Zeit, die wir zusammen erlebt haben. Aber das stellt ihn nicht wirklich auf, hilft nur wenig. Ich probiere es mit einer anderen Variante: Es wäre viel schlimmer gewesen, wenn wir auf dieser Reise gemerkt hätten, dass wir sowas nicht miteinander machen können. Das hat geholfen, er fragt: «Würdest du es wieder machen mit mir?» «Geht’s noch!?», antworte ich, «sicher nicht, einmal reicht voll und ganz». Er schaut verdutzt und ich lache. Ich würde sowas mit ihm jederzeit wieder machen.

In dem Moment beschliessen wir, dass wir diesen Hike nochmals machen werden. Hoffentlich, wenn es geht. Den Abend verbringen wir am Feuer mit essen und reden. Essen hilft wie immer, Andys Stimmung hat sich auf jeden Fall gebessert. 

TAG 66, 30. Juni, Flussüberquerungen, Meile 774

In der Nacht haben wir ein wenig gefroren, in dieser Höhe sind die Temperaturen natürlich tief. Es hat auch stark gewindet. Bei Sonnenaufgang sind wir aufgestanden, Andy für die Fotos, ich für Kaffee. Erst werden wir frühstücken und danach den Abstieg auf die andere Seite machen. 

Komisch, heute scheint niemand auf den Berg zu kommen, wir haben ihn für uns alleine. Als wir runtergehen, kommen uns nur wenige Tageshiker entgegen. In zwei Stunden sind wir zurück beim Zeltplatz. Unser Ziel ist noch bis zum Forster Pass zu laufen, deshalb gehen wir gleich weiter.

Der erste Fluss zur Überquerung kommt, sie ist nicht ohne, die Kraft der Strömung ist enorm. Im Fluss brauchen wir alle Kraft, um uns dagegen zu stellen. Mit den Stöcken musst du immer einen festen Platz finden, erst weitergehen, wenn du sicher bist, dass die Stöcke halten. Darfst aber auch nicht zu langsam sein, sonst geht dir die Kraft aus. 

Die ersten zwei Flüsse waren gerade noch machbar, aber der dritte Fluss hatte es in sich. Das Wasser kam mir bis gut über die Oberschenkel. Ohne Andy wäre ich nicht in den Fluss gegangen. Er ist vorausgegangen und hat mir den Stock hingehalten, so konnte ich mich das letzte Stück rüber ziehen. Gleich beim Fluss machten wir Feierabend, Andy spürte seinen Fuss. Er meint, die Querungen im Fluss merke er, der Fuss sei wieder geschwollen. Auch die Beule bei der Ferse sieht grösser aus. Schmerzen hat er zum Glück keine, wir kühlen einfach wieder und werden sehen wie es morgen geht. 

TAG 65, 29. Juni, vom Whitney Portal auf den Mount Whitney, Meile 766

Morgens um 7 Uhr kommt der Bus und bringt uns nach Lone Pine (1136 m ü. M). Von dort geht die Passstrasse hoch zum Mount Whitney Portal, wir stellen uns gleich an die Passstrasse mit dem Daumen draussen. Ein Mann mit Tochter nimmt uns mit hoch. 

Beim Whitney Portal sind wir auf 2460 m und gehen gleich los. Der Weg ist steil und überall kommt Schmelzwasser den Hang hinab. Es hat viele Tageshiker unterwegs, die schauen ein wenig komisch. Wir sind natürlich nach der langen Zeit auf dem Trail gut trainiert. Andy und ich überholen einfach und steigen immer höher, er merkt den Fuss überhaupt nicht.

Etwa um 14 Uhr will eine Rangerin unseren Permit sehen. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ihn jemand sehen will. Weiter oben kommt ein grosses Schneefeld an einer sehr steilen Stelle. Ohne Schnee würde es in Schlaufen den Hang hoch gehen. Die meisten Hiker übernachten hier, wollen morgen auf den Gipfel gehen. Wir steigen einfach gerade über das Schneefeld auf. Oben angekommen können wir es fast nicht glauben wie gut es gegangen ist. Wir werden richtig ehrgeizig und entscheiden bis zum Gipfel zu gehen, um dort zu übernachten. 

Wir können es selber kaum fassen, zwei Stunden später stehen wir zum zweiten Mal auf dem Mount Whitney in 4421 m Höhe. Heute sind wir zuerst mit dem Auto fast 1400 Höhenmeter bis auf 2460 m gefahren. Von dort sind wir neun Meilen zum Gipfel gewandert und haben dabei fast 2000 Höhenmeter überwunden, alles in einem Tag! Super, wir fühlen uns richtig fit. 

Wir sind ganz alleine hier oben und wollen hier übernachten. In dieser Höhe ist das schon sehr speziell. Die Steinhütte ist zu gefährlich Es gibt einen Windschutz aus Steinen, darin hat unser Zelt gerade so Platz. Der Sonnenuntergang ist wirklich traumhaft. Andy ist ganz in seinem Element, er fotografiert und filmt wie wild. In solchen Momenten beobachte ich Andy gerne, er ist dann irgendwie in einer anderen Welt, ganz begeistert und glücklich. Ich weiss nicht, was schöner ist, der Sonnenuntergang oder Andy. 

Zero Day, 28. Juni, Bishop

Wir sind am Morgen schnell weg und in den Starbucks, um wieder einmal das Internet zu benützen. Die drei Schweizer sind auch hier. Sie sind immer noch die gleichen, alle reden durcheinander. Manuel möchte uns den Schlafsack zurückgeben, findet in jedoch nicht. Ich frage, ob er ihn vielleicht draussen beim Velo gelassen hätte. Er stürmt raus und bringt ihn rein. Anscheinend sei es schwierig hier ein guten Schlafsack zu bekommen, von uns aus kann er ihn behalten, mit meinem Schlafsack als Decke geht es gut. Wir werden einfach noch zwei Inliner kaufen, wenn es einmal sehr kalt wird, nehmen wir diese zusätzlich. 

Wir beschliessen auf den Zeltplatz zu gehen, dieses Hotel ist uns zu dreckig. In Bishop hat es einen Zeltplatz mit sauberen Sanitäranlagen, dort bleiben wir bis morgen früh. Andys Fuss geht es viel besser, er ist total abgeschwollen und schmerzt überhaupt nicht mehr. Nur hinten am Fersen bei der Achillessehne hat es eine komische Beule. Mal schauen wie es ist, wenn wir viel laufen.

Heute werden wir noch alle Besorgungen machen für morgen und zur Post gehen, um ein Paket nach Hause zu schicken. Dort gibt es eine weisse und eine braune Verpackung. Welche ist billiger fürs Ausland? Ich bin sicher, dass es die weisse ist. Als wir anfangen die Sachen zu verpacken, sagt die Dame hinter dem Schalter, dass die andere Verpackung fürs Ausland sei. Um sicher zu sein, frage ich nach, sie sagt, ja, die andere wäre teurer. In dem Fall packen wir alles in die braune Verpackung. Dann am anderen Schalter verlangt die Dame für in die Schweiz 69 Dollar. Ich finde das sehr teuer, daraufhin meint unsere Besserwisserin: «Oh sorry, ist doch die andere, meine Schuld». Wir wollten natürlich die Verpackung wechseln. Da fragt die Dame an unserem Schalter: «Wollt ihr jetzt verschicken oder lassen wir es?» Vergessen wir das mit dem wechseln, wir bezahlen einfach. Es ist die einzige Poststelle weit und breit, die Verpackung hätten sie so oder so einkassiert. Wir bemerken, es gibt auch unfreundliche Amerikaner. 

Jetzt noch Esswaren besorgen, für beide je etwa sechs Kilo. Es ist heiss, wir gehen in den Park und überbrücken die grösste Hitze. 40 Grad am Schatten ist einfach zu heiss, um überhaupt etwas zu machen. Danach gehen wir in eine Bar mit Klimaanlage, guter Musik und plaudern mit anderen Hikern, die meisten gehen von hier nach Hause. Es wird spät bis wir schlafen gehen.

TAG 64, 27. Juni, Lone Pine bis Bishop

So gegen 7 Uhr haben wir alles verstaut und sind losgewandert. Der Fuss von Andy ist sogar leicht abgeschwollen. Wir werden es trotzdem gemütlich nehmen und gehen über einen Seitentrail beim Cottonwood ins Tal hinunter. 

Gegen den Mittag treffen wir beim Campground ein. Es stehen schon vier andere Hiker an, die nach Lone Pine trampen möchten. Wir setzen uns auf unsere Rucksäcke und warten bis wir an der Reihe sind. Nach einer Stunde sitzen wir bei einer Frau im Auto, die fährt uns hinunter nach Laune Eine, in ein kleines Dorf. Die Passstrasse ist extrem lange und wir verlieren viel an Höhe. 

In Lone Pine machen wir wieder Autostopp. Eine Lehrerin nimmt uns mit, lässt uns jedoch in der Hälfte bei einer Tankstelle in Interpendence aussteigen. Da nehmen einen Bus bis Bishop. Dort haben wir mit den drei Schweizern abgemacht, Manuel möchte uns den Schlafsack zurückgeben. 

Die Busfahrerin fährt uns am Ende der Bustour bis zu einem Hostel. Beim Zimmer buchen haben wir Meinungsverschiedenheiten. Der Besitzer sagt, wir müssten unser Zeugs vor dem Zimmer auf der Veranda deponieren, zuerst duschen bevor wir ins Bett gingen oder den Pool benützen. Irgendwann reicht es mir, die ganze Anlage ist ziemlich heruntergekommen und er ist sowas von zugedröhnt. Ich frage ihn, was das soll, es sehe hier nicht nach einer Luxusunterkunft aus und der Zimmerpreis sei im Verhältnis überteuert, ob er jetzt das Zimmer vermieten wolle oder nicht, ansonsten würden wir abziehen. Danach war er ziemlich kleinlaut und sagte, er hätte das nicht so gemeint.

Der Preis für das Zimmer blieb gleich hoch, aber wir waren zu müde, um noch was anderes zu suchen. Das Zimmer war wie befürchtet eine ziemliche Bruchbude. Die WC-Spülung benützten wir nur mit Vorsicht und genügend Abstand. Nach dem Duschen läuft das Wasser einfach weiter. Das Schlimmste aber war das Bett, in dem behältst du die Kleider an. Auf dem Boden zu schlafen war definitiv keine Option, es hatte irgendwelche Viecher im Zimmer. Eigentlich sind wir uns einiges gewöhnt, aber da waren wir wirklich nur zum schlafen. 

TAG 63, 26. Juni, zurück nach Lone Pine, Meile 748

Nach dem Frühstück habe ich Andys Fuss mit einer Bandage eingebunden und dann sind wir losgewandert. Wir gehen den gleichen Weg zurück und es geht erstaunlich gut. Es kommen uns Hiker und Tageswanderer entgegen. Dadurch halten wir oft, schwatzen mit den meisten ein wenig. Wir haben ja keinen Grund zur Eile. 

Die Rangerin treffen wir am Nachmittag, sie weiss Bescheid wegen Andys Fuss. Wir sagen ihr, dass wir etwa noch drei Meilen laufen und dann Feierabend machen. Es geht Andy so gut mit seinem Fuss, dass er sich fragt, ob wir nicht weiter gehen wollen.

An einem See machen wir eine Pause, aber über Nacht wollen wir hier nicht bleiben, die Frösche sind uns zu laut. Im Wald weiter unten finden wir einen flachen Platz zum zelten.

Zero Day, 25. Juni

Ich werde zur Rangerstation gehen, um die Ranger zu informieren, dass Andy morgen zurücklaufen möchte. Dann wissen wir, was auf uns zukommt. Sie finden es eine gute Idee, denn rausfliegen komme nur im äussersten Notfall in Frage. Ich bekomme noch Lebensmittel, für diesen Abend geben sie mir eine Dose Fleischkäse und viele Dörrfrüchte mit. 

Wir werden natürlich für den Weg etwas länger brauchen. Sie bewundern Andy und sagen Schweizer seien starke Kerle. Sie informieren die Rangerin, die auf dem Weg unterwegs ist. Ich denke, dank der Rangerin sind wir auf dem Rückweg sicher. Falls etwas wäre, können wir sie informieren und sie wiederum würde Made von dieser Station informieren, und der könnte weiteres in die Wege leiten.  

Besser geht doch nicht. Darum trinken wir eins auf die gelungene Organisation der Rettung von meinem Mann. Wir plaudern ewig, eigentlich hätten sie einen Einsatz gehabt, wieder einmal einen Hiker vom Berg zu holen. Das scheint ihnen nicht eilig zu sein, anscheinend jemand, der etwas verstaucht hat. Der meint sicher, es komme ein Heli, wenn der wüsste! Es wird nur ein genervter Ranger hochsteigen, um ihm beim Runterwandern zu helfen. Dann wird dem Herrn erklärt, dass er hier erst mal warten soll bis sich die Verstauchung beruhigt, damit er dann zurücklaufen kann. 

Die Ranger begleiten mich wieder zum Fluss, dann alle einmal fest in die Arme nehmen und tschüss bis irgendwann.

Zero Day, 24. Juni

Wir stehen erst um 10 Uhr auf und frühstücken gemütlich. Auf dem Campground hat es einen sehr aktiven Mungg (Murmeltier), der klaut was das Zeug hält. Als ich zum Fluss gehe, um das Geschirr zu waschen, kommt der Mung mit einer Tasche, Kamera oder anderem hinter mir her. Ich probiere, ihm die Sachen wegzunehmen, aber ohne Erfolg, er hätte mich nächstens gebissen. Ich bin sicher nicht die Erste, mit der er um seinen Besitz kämpft.

Heute macht auch ein junger Amerikaner einen Zero Day. Seine beiden Fersen sind fast so dick wie Andys Fuss. Er will eigentlich den Hike abrechen, weil er fürchtet, dass die Bänder nicht mehr halten.  Schmerzmittel nimmt er keins, er raucht nur bis er nichts mehr spürt. Er läuft sicher gut, das sieht man an den geschwollenen Füssen. 

Am Nachmittag gehe ich bei den Parkrangern vorbei, um etwas Benzin für unseren Kocher zu holen. Wir reden über die PCT-Wanderer, die Ranger sind richtig genervt über sie. Seit dem Film über den PCT gibt es einen Run auf den Trail. Dies beschert ihnen viel Arbeit, ihr easy Job ist stressiger geworden.

Grosse Probleme haben sie dieses Jahr vor allem bei den Flussquerungen. Die Wanderer sollten nicht alleine in den Fluss gehen, das Risiko ist zu gross, die Kraft des Wassers ist unglaublich. Die Ranger müssen dann die Hiker suchen oder bergen. In diesem Jahr seien wegen dem vielen Schmelzwasser mehr Leute im Fluss ertrunken oder verunfallt als sonst. Ich hatte bemerkt, dass es für mich knapp machbar ist, wenn das Wasser bis zu den Oberschenkeln kommt, aber höher wird richtig heikel. Zu zweit ist es schon sicherer, denn Andy hat viel mehr Kraft als ich und ich kann mich an ihm festhalten, wenn es kritisch wird.                                                              

Werden Hiker vermisst, muss es nicht zwingend etwas Schlimmes bedeuten. Viele Hiker gehen einfach vom Weg ohne jemanden zu informieren. Oft tauchen sie irgendwo wieder auf. Aber das nervt die Ranger umso mehr, denn sie müssen diese Menschen suchen und dann für nichts. Ich verstehe ihren Frust schon, glaube aber, dass sie vorher einen sehr easy Job hatten und den vermissen sie wohl ein wenig. Sie haben mir die genauen Zahlen gesagt, der Unterschied an Hikern vor und nach dem Film war erheblich. Wir haben aber über so vieles geredet, dass mir leider die Zahlen nicht geblieben sind. Dann will ich zurück zu Andy, sonst meint er noch, ich sei vom Wasser weggeschwemmt worden. Der Ranger kommt mit bis zum Fluss und wartet bis ich drüben bin. Wir winken einander zum Abschied.